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Viehmarkt in Adorf (Vorkriegszeit)

von Bernhard Aechtner (1901-1983), Die Straße meines Lebens - Erinnerungen (freundlich zur Verfügung gestellt von Dr. Gerhard Aechtner)

In Adorf wurde jeden Monat Viehmarkt abgehalten. Die Bauern aus den abgelegenen Dörfern trieben ihr Vieh schon einige Tage vorher nach Adorf und stellten es in den Stallungen hinter der "Garküche" ein. Von einem älteren Mann, der sich etwas verdienen wollte, wurde das Vieh versorgt.



War der Viehmarkt am Abend zu Ende, kamen die Bauern in der "Garküche" zusammen und der Handel ging weiter. Die Handschläge, die bei so einem Handel gemacht wurden, waren nicht zu zählen, und dabei wurde reichlich gezecht. Die Gaststube füllte sich schon am Nachmittag. In den Abendstunden mussten noch Tische und Stühle aufgestellt und zusammen geschoben werden, um die Gäste alle unterzubringen. Die Handwerksburschen, die übernachten wollten, mussten ihr Abendbrot in einem Nebenraum  einnehmen.

Eine lange Zeit hatte es nicht geregnet, und die Bauern sprachen an diesem Abend nur vom Wetter. Hans, der Spaßmacher, half mit, die Gäste zu bedienen. Da sagte er: "Heute Abend regnet es noch!" Die Bauern glaubten es nicht. Aber Hans sagte: "Wenn es bis Mitternacht nicht regnet, zahle ich einen viertel Hektoliter Bier. Und wenn es bis dahin regnet, zahlt Ihr das Bier." Die Bauern waren damit einverstanden und sagten, es kann nicht regnen, wir haben einen sternklaren Himmel.

Hans war bald aus der Gaststube verschwunden, es wurde nicht bemerkt. Oben, wo Holzpritschen und Betten für die Handwerksburschen standen, war ein langer Gang mit acht Fenstern nach der Straße zu. Vor jedes Fenster stellte Hans ein größeres Gefäß mit Wasser. Von der Küche aus legte er noch einen Gartenschlauch mit einem Versprüher zu dem Fenster über der Haustür. Dann ging er zu den Handwerksburschen und fragte, wer sich einige Glas Bier verdienen will. Die Angesprochenen waren misstrauisch. Hans erläuterte, worum es geht, und die Handwerksburschen waren einverstanden. Hans teilte seine Leute ein, zwei Mann an das Fenster über der Haustüre, der Schlauch muss möglichst weit über die Haustüre gehalten werden. An die anderen Fenster je ein Mann mit Gießkanne. Wenn er unten ruft "es regnet", dann soll es von den Fenstern herabregnen, besonders stark vor der Haustüre. Die Gefäße wurden leer und wieder gefüllt, und vor Mitternacht öffnete Hans die Türe zur Gaststube und rief hinein: "Männer, es rengt!" - Es liefen gleich einige Bauern vor die Haustür und andere öffneten das Fenster: Es regnete wolkenbruchartig. Mit dem Schlauch wurden die Gefäße vor den Fenstern wieder gefüllt, damit es noch eine Zeitlang regnen konnte. Der Wirt rollte das Fass Bier herein, welches jetzt die Bauern bezahlten. Die Polizeistunde näherte sich, der Wirt schloss die Haustüre, zog die Rollos vor den Fenstern herunter, schaltete die elektrische Beleuchtung aus und ließ nur noch die Gasbeleuchtung brennen. Hans holte die Handwerksburschen mit in die Gaststube, damit auch sie zu dem versprochenen Bier kamen.

In den Morgenstunden verließen die Bauern die Garküche und schwankten gestikulierend mühsam heim. Dabei merkten sie nicht, dass die Straße trocken war und es nicht geregnet hatte.

Die "Garküche" wurde beim Beschuss 1945 zerstört und nicht wieder aufgebaut.

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