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"Die Gartenlaube" 1871

Auszug, S. 633:
(betreffend Carl Gottlob Todt)

"Deutsche Gräber in der Fremde

Zu Anfang der dreißiger Jahre war es, als der deutsche freiheitliche Vulcan zum ersten Male mit einigem Erfolge unterirdische Regungen zeigte und durch häufige von verhängnißvollem Rollen begleitete Bewegungen der Oberfläche seine Existenz bekundete. Constitutionen wuchsen aus der Erde, Wahlmänner und Landtagsabgeordnete machten die Gegenden der "alten, guten Zeit" unsicher. Die Befreiungsgeschichte Griechenlands lebte noch frisch in den Gemüthern, Polens Flüchtlinge durchpilgerten Deutschlands freisinnige Oasen und wurden begeifterungsvoll ausgerüstet und von eitler Grenze zur andern geschoben, um in der Schweiz, in Frankreich oder sonst wo das schützende Asyl zu finden. Julius Mosen's, des Voigtländers, herrliche Polenlieder ertönten durch die Zeit zu Guitarre, Clavier oder der unvermeidlichen "Harfe Böhmens", so daß Hofmann v. Fallersleben wirklich nicht ganz Unrecht hatte, wenn er etwas später über die musikalische Begeisterung jener Tage klagend ausrief. „In jedem Haus ein Klimperkasten!" "Der alte Feldherr" von Holtei bildete die künstlerisch-patriotische Tagesordnung, wo er nicht verboten war.
 
Zu jener Zeit war es, als droben in den Bergen des Obervoigtlandes in Sachsen, wir möchten fast sagen: auf der Giebelseite desselben nach dem herrlichen und fruchtbaren Egerlande hinaus, in einem alten, unansehnlichen Schlosse, eine Anzahl junger Männer beieinander saßen. In der hochgewölbten Inspectorstube 
[höchstwahrscheinlich in der Adorfer Fronveste] spielte eine kurze politische Scene. Düster und kellerartig war der Raum, frisch und hell aber der Geist, der ihn belebte, erquickend dazu der schäumende, ehrliche Gerstensaft. So eine Gesellschaft war damals an sich schon halber Hochverrath. Aber kein Uneingeweihter wußte davon. Hier war einer der stillen Häfen, von denen aus die Flüchtlinge aller Art „durch die Wälder, durch die Auen" und in allerhand kurzweiliger Gestalt hinüber nach Böhmen, nach Baiern und in's Reich hinaus geschmuggelt wurde, zur gefälligen Weiterbeförderung.

Der zu jener Zeit dort installirte Inspector Rödiger - von 1812 bis 1815 freiwilliger Reitersmann im Befreiungskrieg, und mit dem eisernen Kreuze geschmückt, später aber im Jahre 1849 Landtagsabgeordneter der ersten Kammer in Sachsen - galt als Befehlshaber dieser „Insel der Freiheit". Er erhob das Glas und trank "auf die schöne Zeit, die ihm gönnen werde, noch einmal, gemeinsam mit seinem Sohne," der als siebenjähriger Knabe im Fenster spielte, „zu Pferd' zu steigen für des Vaterlandes Größe und Freiheit!" Man trank. Herrliche Gedanken umrankten die Zukunft. Unter den Anwesenden befanden sich zwei junge Juristen, Wilhelm Becker aus Adorf und Karl Todt aus Auerbach, beide echte, kernhafte voigtländer Naturen und schon einige Jahre später offene Träger der freiheitlichen Ideen und spätere Mustergestalten für den kleinen Knaben dort im Fenster und noch für viele Andere.
 
Die dreißiger Jahre rollten vorüber. Todt wurde wohlbestallter Bürgermeister des Städtchens Adorf, das bald als die Metropole aller Freisinnigen im Obervoigtlande galt und allwo die "Freigeister",  wie das Volk sie schüchtern nannte, von nah und fern ineinanderströmten, wie die belebenden Blutwellen zum menschlichen Herzen, vor- und rückwärts. Zuletzt wurde er Landtagsabgeordneter und als solcher namentlich berühmt durch die entschiedene Parteinahme, welche er in Dresden und unter den Augen der Allerhöchsten für das Volk zeigte. 'Ich will für das Volk auftreten," rief er einmal in der Kammer aus, "da ohnehin nur Wenige sein werden, die diese Partei ergreifen.'"

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