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Albin und der Kater - Remtengrün 1937

von Bernhard Aechtner (1901-1983), Die Straße meines Lebens - Erinnerungen (freundlich zur Verfügung gestellt von Dr. Gerhard Aechtner)

In der Nähe vom Aussichtsturm in Remtengrün, direkt an der Straße, steht ein kleines Einfamilienhaus mit Stall und Scheune. In diesem Haus wohnte ein Waldarbeiter namens Albin mit Frau und drei schulpflichtigen Mädels. Es waren fleißige und saubere Leute. Das Haus und der Garten davor waren immer gepflegt.

In der damaligen Zeit haben sich die Leute auf dem Lande Singvögel in Käfigen gehalten. An den Fenstern und in den Stuben hingen oft mehrere Käfige, und in den Stunden am Vormittag und Nachmittag waren die Zimmer erfüllt vom Gesang und Jubilieren, wie es im Wald nicht schöner sein konnte. Auch der Albin hatte einige Käfige hängen und in der Nähe des Küchenschrankes einen großen Käfig mit einer Lachtaube, die er besonders liebte. Albin hatte auch einen Kater, dies war der Frau ihr Liebling. Dieser mauste, was er erwischen konnte. Er sprang gern an die Käfige und schlug mit den Pfoten danach. Auch auf den Küchenschrank sprang er und versuchte, den Käfig der Lachtaube zu öffnen. Wenn es Albin sah, wurde der Kater verprügelt. Die Frau nahm ihren Liebling in Schutz, und auch die Mädels standen der Mutter bei, und so kam es immer zu einer Auseinandersetzung.
Es war in der Zeit der Heuernte. Albin hatte eine Wiese Heu liegen. Die Mädels hatten es fleißig gewendet, und es konnte eingefahren werden. Albin kam am späten Nachmittag von der Arbeit, im Westen stieg ein Gewitter auf, und die Mädels waren schon dabei, das Heu zusammenzurechen. Albin verließ eilig die Stube und dachte nicht an den Kater, der hinter dem Ofen lag und faulenzte. Sie holten eiligst den Leiterwagen aus der Scheune, spannten ihre Kuh davor und beeilten sich, das Heu trocken unters Dach zu bringen. Es gelang auch. Wie der Wagen in die Scheune fuhr, fielen die ersten Tropfen.

Über die gelungene Arbeit erfreut, gingen sie in die Stube. Albin traute seinen Augen nicht, als zufällig sein Blick auf den Käfig der Lachtaube fiel. Die Tür war weit geöffnet, und er sah den Kater im Käfig sich noch mit etwas beschäftigen, aber keine Taube mehr. Da gingen Albin die Nerven durch. Er stieg auf den Stuhl, holte den Käfig mit dem Kater herunter, trug ihn in den Hof, und bei strömendem Regen schlug Albin mit einem Knüppel solange auf den Käfig, bis er den Kater erschlagen hatte.

Obwohl ein schweres Gewitter war, muss es doch jemand beobachtet haben. Am nächsten Tag erfuhr es schon der Franz. Am Mittwoch saß wieder das "Alte Eisen" in der Gaststube "Zum Aussichtsturm" beisammen. Albin, der auf seinem Heimweg immer am Gasthaus vorüber kam, kehrte, wenn er daheim keine dringenden Arbeiten zu verrichten hatte, gewöhnlich noch einmal ein und trank noch zwei Bierchen. Wie der Albin die Gaststube betrat und sich an einen Tisch gleich neben den Stammtisch setzte und ein Bier bestellte, erzählte der Franz so laut, dass es Albin hören musste, folgende selbst erfundene Geschichte: "Als ich heute die Straße herauf ging, lief vor mir auch der Gendarm, den ich bald einholte. Der Gendarm erzählte mir, dass eine Anzeige eingegangen wäre wegen Tierquälerei. Da soll ein Mann eine Katze in einem Käfig erschlagen haben. Wegen dieser Sache muss ich den weiten Weg gehen, um zu prüfen, was an der Sache wahr ist."

Albin hörte, was Franz soeben erzählte, trank sein Bier aus, bezahlte und ging. Nach ungefähr zwei Stunden, da das "Alte Eisen" schon heimgehen wollte, betrat Albin seine Frau die Gaststube und fragte, ob Albin hier war. Er ist noch nicht heim gekommen. Die alten Herren schwiegen und wussten nicht, was sie sagen sollten. Auch Franz, der eigentliche Urheber, der immer das Wort führte, sah die Frau entsetzt an und schwieg. Die Frau rang die Hände mit den Worten: "Da ist etwas passiert!" und verließ die Gaststube. Der Wirt sagte zum Franz: "Was du gemacht hast, war eine große Dummheit. Wenn sich der Mann etwas antut, hast du ihn auf dem Gewissen."

Albin blieb zwei Tage verschwunden, und schon verbreitete sich im Dorf das Gerücht, Albin hat sich aufgehängt. Am dritten Tag früh, da es noch dunkel war, schlich Albin um sein Häuschen herum auf die Hofseite zu und klopfte an das Fenster der Schlafstube. Seine Frau öffnete die Hoftüre und ließ ihn hinein. Auf die Frage, wo er die zwei Tage war, sagte Albin: "Bei meinem Bruder in Sohl." Franz erzählte mir später, dass er mehrere Nächte nicht schlafen konnte. Erst, als er erfuhr, dass Albin noch lebt, fand er seine Ruhe wieder. Albin kehrte nicht mehr ein, wenn es an einem Mittwoch war.