Skip to content

Adorf und das Wahljahr 1932

Ein Beitrag von Peter Jacob

Das Jahr 1932 sollte für Deutschland und somit auch für Adorf ein Schicksalsjahr werden. Fanden doch die letzten, vor dem totalen Zusammenbruch 1945, freien demokratischen Wahlen in Deutschland statt.


                                        
Wahlaufruf in Neue Vogtländische Zeitung, Sonnabend den 12. März 1932
Sammlung: P. Jacob


Tatsächlich wählte man nicht, wie hier schmackhaft gemacht, für die kommenden sieben Jahre, was uns die Geschichte lehrt. Zunächst sah es aber so aus, man lebte immerhin in einer Demokratie...

Am 13. März fand die 2. Reichspräsidentenwahl mit den Kandidaten, Paul von Hindenburg (parteilos, Weimarer Koalition), Adolf Hitler (NSDAP), Ernst Thälmann (KPD), Theodor Duesterberg (DNVP/Stahlhelm) und Gustav Winter (Inflationsgeschädigte) statt. Zeitungsausschnitte:                                       


                                              
Neue Vogtländische Zeitung, Sonnabend den 12. März 1932
Sammlung: P. Jacob

Noch am Tag vor der Wahl zogen die Kandidaten alle „Register“, wie man aus der Zeitung erfuhr.  


        
Neue Vogtländische Zeitung, Sonnabend den 12. März 1932
Sammlung: P. Jacob


Da am 13. März keiner der Kandidaten die absolut notwendige Mehrheit erreichte, folgte am 10. April ein notwendiger 2. Wahlgang mit nun nur noch den folgenden drei Kandidaten, Hindenburg, Hitler und Thälmann. Wenn man die Ergebnisse des 2. Wahlgangs in unserer Heimatstadt betrachtet, erkennt man die deutliche Tendenz zu Gunsten Hitlers. Deutschlandweit wiederum gewann Hindenburg mit deutlichem Abstand. Nicht so in Gopplasgrün, hier erhielt der Feldherr keine einzige Stimme.


 
Sammlung: P. Jacob                                   

Am 31.Juli 1932 waren dann wiederum schon die Wahlen zum 6. Reichstag in der Weimarer Republik. Hierzu habe ich leider nur die Daten aus unserer Nachbarstadt Markneukirchen im Archiv. Von 5661 gültigen Stimmen entfielen: 73% NSDAP, 7,72% SPD, 6,10% KPD, 6,32% Deutschnationalen, u.s.w.. Hier, als Beispiel, ein Wahlschein aus dem Wahlkreis Chemnitz-Zwickau.


                                               
Sammlung: P. Jacob

Da auf Grund des Wahlergebnisses keine Partei die absolute Mehrheit errang und alle Koalitionsverhandlungen scheiterten konnte keine Regierung gebildet werden. Hindenburg löste die Regierung auf und es wurde eine Neuwahl notwendig. Diese, 7. Reichstagswahl, fand dann am 6. November statt, hatte aber nicht mehr ganz viel Zustimmung bei den Wählern. Deutschlandweit gab es gute 80% Wahlbeteiligung, im Juli waren es noch über 84%. Immerhin 4517 gültige Stimmen zählte man in Adorf, bei einem Wahlrecht ab dem 20. Lebensjahr! Dies bedeutet leider auch, dass gerade die Menschen auf den kommenden Schlachtfeldern verbluteten, die absolut keinen Einfluss auf die politische Entwicklung des Deutschland nach diesem Wahljahr 1932 mehr hatten. Obwohl die NSDAP an die 2 Millionen Stimmen verlor, zeigte sich jedoch, dass eine Regierungsbildung ohne die NSDAP nicht mehr möglich war.


                    
Sammlung: P. Jacob

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Adorf den Beinamen ”Das Rote Adorf” dieser Wahl zu verdanken hat. Der direkte Vergleich mit unserer Nachbarstadt Markneukirchen zeigt, eventuell, wem wir diesen fragwürdigen Titel zu verdanken haben. Betrachten wir jedoch die Novemberwahlen 1932 einmal genauer:

Partei        Ergebnis Adorf         Ergebnis Markneukirchen
NSDAP 48,86 % 68,99 %
SPD 18,02 %   8,43 %
KPD 21,10 %   7,96 %
Zentrum   1,17 %   0,67 %
Dt.Natl.   6,09 %   7,63 %
DV   0,90 %   2,20 %
DSP   0,57 %   0,42 %
RdM   2,68 %   1,02 %
VP   0,60 %   2,68 %

Es ergibt sich im direkten Vergleich mit Markneukirchen zwar eine Mehrheit von SPD und KPD zu Gunsten von Adorf, doch wählten immerhin auch hier 48,86 % die NSDAP. Hier waren uns die Markneukirchner mit knapp 69 % NSDAP um einiges voraus, wenn auch die Gürther ungeschlagen mit 100% NSDAP uneinholbar blieben. Doch so „Rot“ konnten Adorf nur in diesem Vergleich mit unserem Nachbarn sein, denn mit knapp 49% NSDAP lag auch Adorf weit über dem gesamtdeutschen Wahlergebnis der NSDAP von 33,1%.
Aber bestimmt nicht, weil Adorf Krieg wollte, dies war wohl eher ein Ergebnis der Propaganda, die immer perfekter wurde. In Adorf bemühte sich zudem auch eine starke NSDAP Ortsgruppe aktiv mit SA (s. Foto) um Stimmen.

Sammlung: P. Jacob

Die damals sehr brutalen Wahlkämpfe Deutschlands dürften wohl auch in Adorf stattgefunden haben.

               
Neue Vogtländische Zeitung, 12.März 1932          
Sammlung: P. Jacob

Folgend ein Wahlplakat der Adorfer SPD zur Gemeindewahl im November, mit kritischem Blick auf die Wahlsieger von Adorf, die in den drei Jahren ihrer Regierungszeit keine einzige Wohnung gebaut hätten, wo es doch früher im Ort, unter Einfluss der SPD, noch acht Häuser, davon drei Doppelhäuser waren…


                          
Sammlung: P. Jacob

Die Kommunisten im Stadtrat werden als Schimpfer und Schreier betitelt, die keinerlei praktische Arbeit leisten, die bürgerlichen Vereinigungen als Opportunisten entlarvt und Markneukirchen hat ein riesiges Haushaltsloch, zudem musste Erlbach sogar einen Gemeindeverordneten der NSDAP wegen Betrugs entlassen. Ob das Plakat Einfluss auf den Wahlausgang und die Wahl des Bürgermeisters im Gemeinderat hatte, darf bezweifelt werden. Herr Dr. Rudimann Dönitz blieb vom 02.02.1920 bis 1945 Bürgermeister, wurde am 25. April 1945, kurz vorm Zusammenbruch, sogar noch kommissarischer Landrat vom Restkreis Oelsnitz.

Da auch das Wahlergebnis vom November 1932 keinen demokratischen Sieger kannte, die KPD, NSDAP und DNVP die neue Regierung nicht anerkannten, vielmehr dieser das Misstrauen aussprachen und der Versuch des im Dezember ernannten Reichskanzlers Kurt von Schleicher, verfassungswidrig den Reichstag aufzulösen, scheiterte, konnte Hindenburg ihn nur noch entlassen. Am 30. Januar 1933 ernannte er Adolf Hitler zum Reichskanzler. Dies war dann der Anfang vom Ende der Demokratie in Deutschland.

Zur 8. Reichstagswahl am 05. März 1933 durften zwar noch mehrere Parteien antreten, doch unlautere Wahlkämpfe, wie Übergriffe auf politische Gegner, das Verbot von Gegendemonstrationen, das Überkleben von Wahlplakaten und die schon beginnende staatliche Verfolgung „Andersdenkender“, gestärkt durch die  „Reichsbrandverordnung“ sprechen ihr schon den Namen „Freie Wahl“ ab. Doch selbst unter diesen Bedingungen hatte die NSDAP auch hier noch nicht die absolute Mehrheit erreichen können und musste ein Bündnis mit dem „Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot“ eingehen. Nach der Auflösung verschiedener Parteien, dem „Gesetz gegen Neubildung von Parteien“, sowie den Verboten der KPD und SPD, konnte man guten Gewissens der 9. Reichstagswahl am 12. November 1933 entgegensehen. Die aber, dank „Einheitsliste“ (10 Kandidaten), nicht mehr den Namen Wahl verdiente. Der Weg zur Diktatur war geebnet. Hoffentlich lehrt uns dieses Beispiel…  


                                    
Die Wahlsieger in Stimmung auf dem unteren Markt, zum 1. Mai 1933
Sammlung: P. Jacob