Skip to content

Kriegsgefangenenlazarett während des Zweiten Weltkrieges in Adorf

Während des Zweiten Weltkrieges, auf jeden Fall in den Jahren 1944 und 1945, womöglich aber auch früher, war ein kleines Lazarett für Kriegsgefangene auf dem Anwesen des Unternehmens Scheerbaum am Kaltenbach eingerichtet. Es ist zu vermuten, dass dieser Standort aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zum Maschinenhaus und dem dahinter, auf der anderen Bahnseite gelegenen Kriegsgefangenenlager der Reichsbahn gewählt wurde.

Das Lazarett befand sich in einem großen Raum im Obergeschoss dieses Gebäudes gegenüber dem Wohnhaus von Familie Scheerbaum, welcher vorher für Lagerzwecke genutzt worden war (über den Garagentoren).

Foto: Antje Goßler

Die Einrichtung bestand nach Angaben des Kriegsgefangenen Frederick O. Scheer aus einem Behandlungszimmer an einem Ende und einer Art Aufenthaltsraum am anderen Ende, dazwischen Reihen von Doppelstockbetten. Die Schlafstätten hatten Strohmatten als Unterlage ("Betten konnten wir ihnen nicht geben, wir hatten keine", erinnert sich Maria Scheerbaum). Der Behandlungsraum, der auch die Schlafstätte des Arztes enthielt, war klein und durch Bretter oder einen großen Vorhang abgeteilt.

Geführt wurde es von einem französischen Mediziner, der in Adorf allgemein als "der französische Arzt" bekannt war. Er war eigentlich "nur" Medizinstudent, aber er führte das Lazarett und war der verantwortliche Arzt für alle Kriegsgefangenen ringsum. Sein Name ist nicht exakt überliefert: Johannes Lenk hielt ihn in seinem Buch "Adorf im Vogtland" als "Dr. Piganiol" fest, andere Quellen schreiben ihn "Guyh Bikalnial". Ihm zur Seite standen zwei Sanitäter, einer davon ein Pole. Fredrick O. Scheer berichtet auch von einem katholischen französischen Priester, der dort mit tätig war. Auf jeden Fall waren sie alle selbst Kriegsgefangene. Insgesamt sollen meist etwa um die 15 Leute dort untergebracht gewesen sein.

Der französische Arzt (der hier weiter so bezeichnet werden soll) hatte nach Angaben von Zeitzeugen eine Liason mit der Tochter des Adorfer Bürgermeisters, mit der er sich auch öfter traf. Maria Scheerbaum kann sich erinnern, dass ihre Mutter ihm vor den Treffen immer Hemd und Hosen bügelte. Ob dies damit zusammenhing oder nicht: Bürgermeister Dönitz kam mehrfach selbst im Lazarett vorbei und überzeugte sich von den Bedingungen vor Ort. Ob der Arzt auch anderweitig in der Stadt unterwegs war, ist nicht näher bekannt.

Als 1945 die Tieffliegerangriffe begannen, suchten alle Insassen des Lazaretts gemeinsam mit der Familie Scheerbaum im Hauskeller Schutz. Auch malten die Deutschen ein großes rotes Kreuz auf das Dach des Lazarettgebäudes um die Angreifer vom Beschuss abzuhalten. Kurz vor Kriegsende kam es zu einer traurigen Begebenheit: ein Kriegsgefangener hielt es während eines Fliegerangriffs im Keller nicht mehr aus und rannte nach draußen, wo er in der Nähe der Teiche tödlich getroffen wurde. Hier wurde er auch begraben, nach Kriegsende jedoch irgendwann auf den Adorfer Friedhof umgebettet. Es ist möglich, dass es sich um Alexander Nicola, einen rumänischen Soldaten, handelt - der einzige Soldat auf dem Friedhof, der nicht sowjetrussischer oder deutscher Soldat war.

Bezeugt ist jedoch die Tatsache, dass der Arzt Kriegsgefangenen gegen Ende des Krieges zur Flucht verhalf, indem er sie auf Waldwegen ein Stück von Adorf weg und in Richtung der amerikanischen Linien führte. Frederick O. Scheer beschreibt dies in der Geschichte seiner Flucht. Auch kann nur er der allseits bekannte französische Arzt gewesen sein, der am 6. Mai 1945 gemeinsam mit dem Adorfer Pfarrer Ludwig Jahn und dem Direktor der Adorfer Sparkasse Hermann Künzel den Amerikanern in Richtung Arnsgrün entgegenging, um Adorf vor weiterem Beschuss zu bewahren und den Krieg für Adorf zu beenden.

Mit freundlicher Unterstützung von Maria Scheerbaum und Frederick O. Scheer, vielen Dank!